Mir scheint es bisweilen, daß die modernen Menschen sich grenzenlos aneinander langweilen und daß sie es endlich nötig finden, sich mit Hilfe aller Künste interessant zu machen. 1. Die[300] drohende Gefahr, daß seine große Tat einfach durch Nichtbeachtung wieder ungetan werde, brachte ihn in eine schreckliche und schwer zu bändigende Unruhe; kein einziger bedeutsamer Anhänger zeigte sich. Schopenhauer macht mit den gelehrten Kasten wenig Umstände, separiert sich, erstrebt Unabhängigkeit von Staat und Gesellschaft – dies ist sein Beispiel, sein Vorbild – um hier vom Äußerlichsten auszugehen. Schopenhauer als Erzieher von Nietzsche, Friedrich und eine große Auswahl ähnlicher Bücher, Kunst und Sammlerstücke erhältlich auf ZVAB.com. Wie sieht nun der Philosoph die Kultur in unserer Zeit an? Schopenhauer als Erzieher. Ist's das letztere, so ist die Wahrheit, die wir hier sammeln, nach dem Tode nichts mehr, und alles Bestreben, ein Eigentum zu erwerben, das uns auch noch in das Grab folgt, ist vergeblich. So hoch zu steigen, wie je ein Denker stieg, in die reine Alpen- und Eisluft hinein, dorthin wo es kein Vernebeln und Verschleiern mehr gibt, und wo die Grundbeschaffenheit der Dinge sich rauh und starr, aber mit unvermeidlicher Verständlichkeit ausdrückt! Das Studium aller Viertelsphilosophen ist nur deshalb anziehend, um zu erkennen, daß diese sofort auf die Stellen im Bau großer Philosophien geraten, wo das gelehrtenhafte Für und Wider, wo Grübeln, Zweifeln, Widersprechen erlaubt ist, und daß sie dadurch der Forderung jeder großen Philosophie entgehen, die als Ganzes immer nur sagt: dies ist das Bild alles Lebens, und daraus lerne den Sinn deines Lebens. Daraus folgt, daß seine Feindschaft im Grunde gerade gegen das gerichtet ist, was zwar an ihm selbst, was aber nicht eigentlich er selbst ist, nämlich gegen das unreine Durch- und Nebeneinander von Unmischbarem und ewig Unvereinbarem, gegen die falsche Anlötung des Zeitgemäßen an sein Unzeitgemäßes; und endlich erweist sich das angebliche Kind der Zeit nur als Stiefkind derselben. Sie möchten gar zu gerne glauben machen, daß sie allen Jahrhunderten den Preis abgelaufen hätten, und sie bewegen sich mit künstlicher Lustigkeit. Und umgekehrt: lies nur dein Leben und verstehe daraus die Hieroglyphen des allgemeinen Lebens. In diesem Hin und Her zwischen Christlich und Antik, zwischen verschüchterter oder lügnerischer Christlichkeit der Sitte und ebenfalls mutlosem und befangenem Antikisieren lebt der moderne Mensch und befindet sich schlecht dabei; die vererbte Furcht vor dem Natürlichen und wieder der erneute Anreiz dieses Natürlichen, die Begierde irgendwo einen Halt zu haben, die Ohnmacht seines Erkennens, das zwischen dem Guten und dem Besseren hin und her taumelt, alles dies erzeugt eine Friedlosigkeit, eine Verworrenheit in der modernen Seele, welche sie verurteilt, unfruchtbar und freudelos zu ein. $23.68 + $3.99 shipping . Soll man Benvenuto Cellinis Vater Recht geben, der seinen Sohn immer wieder zum »lieblichen Hörnchen«, also zu dem zwang, was der Sohn »das verfluchte Pfeifen« nannte? Wenn ein mittelalterlicher Fürst vom Papste gekrönt werden wollte, aber es von ihm nicht erlangen konnte, so ernannte er wohl einen Gegenpapst, der ihm dann diesen Dienst erwies. Deshalb soll es durchaus die Absicht der modernen Bildungsanstalten sein, jeden so weit zu fördern, als es in seiner Natur liegt, kurant zu werden, jeden dermaßen auszubilden, daß er von dem ihm eigenen Grade von Erkenntnis und Wissen das größtmögliche Maß von Glück und Gewinn habe. Dies ist den meisten etwas Unerträgliches: weil sie, wie gesagt, faul sind und weil an jener Einzigkeit eine Kette von Mühen und Lasten hängt. Deshalb entstand nicht nur an einer Stelle der Erde die Vermutung, daß die Seelen schuldbeladner Menschen in diese Tierleiber gesteckt seien, und daß jenes auf den nächsten Blick empörende sinnlose Leiden vor der ewigen Gerechtigkeit sich in lauter Sinn und Bedeutung, nämlich als Strafe und Buße auflöse. Schopenhauer als Erzieher. 'Niemand kann dir die Brücke bauen, auf der gerade du über den Fluss des Lebens schreiten musst, niemand außer dir allein. – inwiefern sind sie denn auch schädlich? Das Urteil der alten griechischen Philosophen über den Wert des Daseins besagt so viel mehr als ein modernes Urteil, weil sie das Leben selbst in einer üppigen Vollendung vor sich und um sich hatten und weil bei ihnen nicht wie bei uns das Gefühl des Denkers sich verwirrt in dem Zwiespalte des Wunsches nach Freiheit, Schönheit, Größe des Lebens und des Triebes nach Wahrheit, die nur frägt: was ist das Dasein überhaupt wert? Warum an dieser Scholle, diesem Gewerbe hängen, warum hinhorchen nach dem, was der Nachbar sagt? Denken wir uns das Auge des Philosophen auf dem Dasein ruhend: er will dessen Wert neu festsetzen. Und so will ich denn heute des einen Lehrers und Zuchtmeisters, dessen ich mich zu rühmen habe, eingedenk sein, Arthur Schopenhauers – um später anderer zu gedenken.[290]. Veröffentlicht in Aufklärung & Ktritik, Sonderheft Nr. Sollten die Genannten vielleicht gar nicht mehr dafür Bürgschaft leisten, daß solche Kräfte, wie die ihrigen, wirklich noch in dem deutschen Geiste und Sinne vorhanden sind? Goethe selbst hat in seiner Jugend mit seinem ganzen liebereichen Herzen an dem Evangelium von der guten Natur gehangen; sein Faust war das höchste und kühnste Abbild vom Menschen Rousseaus, wenigstens soweit dessen Heißhunger nach Leben, dessen Unzufriedenheit und Sehnsucht, dessen Umgang mit den Dämonen des Herzens darzustellen war. Wohin sich auch der Sieg neige, es ist ein Sieg, der einen Verlust in sich schließen wird. Ob nun der Wahrheit damit gedient wird, daß man einen Weg zeigt, wie man von ihr leben könne, weiß ich im allgemeinen nicht zu sagen, weil hier alles auf Art und Güte des einzelnen Menschen ankommt, welchen man diesen Weg gehen heißt. Außer diesen Gefahren seiner ganzen Konstitution, welchen Schopenhauer ausgesetzt gewesen wäre, er hätte nun in diesem oder jenem Jahrhundert gelebt – gibt es nun noch Gefahren, die aus seiner Zeit an ihn herankamen; und diese Unterscheidung zwischen Konstitutionsgefahren und Zeitgefahren ist wesentlich, um das Vorbildliche und Erzieherische in Schopenhauers Natur zu begreifen. Dem Staat ist es nie an der Wahrheit gelegen, sondern immer nur an der ihm nützlichen Wahrheit, noch genauer gesagt, überhaupt an allem ihm Nützlichen, sei dies nun Wahrheit, Halbwahrheit oder Irrtum. Wohin ist der Geist Friedrich August Wolfs hinverflogen, von dem Franz Passow sagen konnte, er erscheine als ein echt patriotischer, echt humaner Geist, der allenfalls die Kraft hätte, einen Weltteil in Gärung und Flammen zu[362] versetzen – wo ist dieser Geist hin? Besser noch, sie beweisen selbst durch die Tat, daß die Liebe zur Wahrheit etwas Furchtbares und Gewaltiges ist. Aus Furcht vor dem Nachbar, welcher die Konvention fordert und sich selbst mit ihr verhüllt. Denn wir wissen, was die Kultur ist. Das sammelt eine Wolke von Melancholie auf ihrer Stirne: denn daß das Scheinen Notwendigkeit ist, hassen solche Naturen mehr als den Tod; und eine solche andauernde Erbitterung darüber macht sie vulkanisch und bedrohlich. Wie es nun mit unserer Zeit in Hinsicht auf Gesund- und Kranksein steht, wer wäre Arzt genug, das zu wissen! Ich weiß es nicht; jedenfalls ist die Universitätsphilosophie einer allgemeinen Mißachtung und Anzweifelung verfallen. |, This amount includes applicable customs duties, taxes, brokerage and other fees. Selbst nicht mit dem gefälligen gesellschaftlichen Betrug, den fast jede Unterhaltung mit sich bringt und welchen die Schriftsteller beinahe unbewußt nachahmen; noch weniger mit dem bewußteren Betrug von der Rednerbühne herab und mit den künstlichen Mitteln der Rhetorik. Hatte er doch sogar noch etwas Höheres gesehn: eine furchtbare überweltliche Szene des Gerichts, in der alles Leben, auch das höchste und vollendete, gewogen und zu leicht befunden wurde: er hatte den Heiligen als Richter des Daseins gesehn. Nietzsche stellte seine 3. Mein einziges, mein höchstes Ziel ist gesunken, und ich habe keines mehr.« Ja, wann werden wieder die Menschen dergestalt Kleistisch-natürlich empfinden, wann lernen sie den Sinn einer Philosophie erst wieder an ihrem »heiligsten Innern« messen? Mehrmals ist mir schon, wenn ich jemandem die Abwesenheit einer deutschen Kultur vor Augen stellte, eingewendet worden: »aber diese Abwesenheit ist ja ganz natürlich, denn die Deutschen sind bisher zu arm und bescheiden gewesen. So strebte Schopenhauer schon von früher Jugend an, jener falschen, eitlen und unwürdigen Mutter, der Zeit, entgegen, und indem er sie gleichsam aus sich auswies, reinigte und heilte er sein Wesen und fand sich selbst in seiner ihm zugehörigen Gesundheit und Reinheit wieder. Zum Teil hängt diese damit zusammen, daß jetzt gerade ein schwächliches Geschlecht auf den Kathedern herrscht; und Schopenhauer würde, wenn er jetzt seine Abhandlung über Universitätsphilosophie zu schreiben hätte, nicht mehr die Keule nötig haben, sondern mit einem Binsenrohre siegen. Nehmt diese Genossen hinweg und ihr erzeugt eine wachsende Gefahr; Heinrich von Kleist ging an dieser Ungeliebtheit zugrunde, und es ist das schrecklichste Gegenmittel gegen ungewöhnliche Menschen, sie dergestalt tief in sich hinein zu treiben, daß ihr Wiederherauskommen jedesmal ein vulkanischer Ausbruch wird. Von dem ersten ist eine Kraft ausgegangen, welche zu ungestümen Revolutionen drängte und noch[314] drängt; denn bei allen sozialistischen Erzitterungen und Erdbeben ist es immer noch der Mensch Rousseaus, welcher sich, wie der alte Typhon unter dem Ätna, bewegt. Richard Wagner in Bayreuth Neuausgabe mit einer Biographie des Autors. So wußte er die eine Hälfte seines Wesens gesättigt und erfüllt, ohne Begierde, ihrer Kraft gewiß, so trug er mit Größe und Würde seinen Beruf als siegreich Vollendeter. Sie befähigt ihn selbst zu Vivisektionen. Es ist kein Zweifel, daß beim Herannahen solcher Perioden das Menschliche fast noch mehr in Gefahr ist als während des Einsturzes und des chaotischen Wirbels selbst, und daß die angstvolle Erwartung und die gierige Ausbeutung der Minute alle Feigheiten und selbstsüchtigen Triebe der Seele hervorlockt: während die wirkliche Not und besonders die Allgemeinheit einer großen Not die Menschen zu bessern und zu erwärmen pflegt. Price New from Used from Audible Audiobook, Unabridged "Please retry" $0.00 . Denn wo sind die Ärzte der modernen Menschheit, die selber so fest und gesund auf ihren Füßen stehen, daß sie einen andern noch halten und an der Hand führen könnten? Price New from Used from Audible Audiobook, Unabridged "Please retry" $0.00 . Der heroische Mensch verachtet sein Wohl- oder Schlecht-Ergehen, seine Tugenden und Laster und überhaupt das Messen der Dinge an seinem Maße, er hofft von sich nichts mehr und will in allen Dingen bis auf diesen hoffnungslosen Grund sehen. Ebensowenig werden wir, wenn Schopenhauer spricht, an den Gelehrten erinnert, der von Natur steife und ungeübte Gliedmaßen hat und engbrüstig ist und deshalb eckig, verlegen oder gespreizt daherkommt; während auf der anderen Seite Schopenhauers rauhe und ein wenig bärenmäßige Seele die Geschmeidigkeit und höfische Anmut der guten französischen Schriftsteller nicht sowohl vermissen als verschmähen lehrt und niemand an ihm das nachgemachte, gleichsam übersilberte Scheinfranzosentum, auf das sich deutsche Schriftsteller so viel zugute tun, entdecken wird. Dieses ewige Werden ist ein lügnerisches Puppenspiel, über welchem der Mensch sich selbst vergißt, die eigentliche Zerstreuung, die das Individuum nach allen Winden auseinanderstreut, das endlose Spiel der Albernheit, welches das große Kind Zeit vor uns und mit uns spielt. Denn so stehe es: die Gründung des neuen deutschen Reiches sei der entscheidende und vernichtende Schlag gegen alles »pessimistische«[310] Philosophieren – davon lasse sich nichts abdingen. Daß sie den Menschen durch die Erzeugung des Philosophen und des Künstlers das Dasein deutsam und bedeutsam machen wollte, das ist bei ihrem eignen erlösungsbedürftigen Drange gewiß; aber wie ungewiß, wie schwach und matt ist die Wirkung, welche sie meisthin mit den Philosophen und Künstlern erreicht! Wer zum Beispiel unter den Deutschen sich ernstlich zum Redner ausbilden wollte, oder wer in eine Schule des Schriftstellers zu gehn beabsichtigte, er fände nirgends Meister und Schule; man scheint hier noch nicht daran gedacht zu haben, daß Reden und Schreiben Künste sind, die nicht ohne die sorgsamste Anleitung und die mühevollsten Lehrjahre erworben werden können. München: Hanser, 1954. Manchen wird es dünken, er hätte richtiger und gültiger gesagt: sie sind alle furchtsam. Wo wir Begabung ohne jene Sehnsucht finden, im Kreise der Gelehrten oder auch bei den sogenannten Gebildeten, macht sie uns Widerwillen und Ekel; denn wir ahnen, daß solche Menschen, mit allem ihrem Geiste, eine werdende Kultur und die Erzeugung des Genius – das heißt das Ziel aller Kultur – nicht fördern, sondern verhindern. Man sollte denken, daß Faust durch das überall bedrängte Leben als unersättlicher Empörer und Befreier geführt werde, als die verneinende Kraft aus Güte, als der eigentliche gleichsam religiöse und dämonische Genius des Umsturzes, zum Gegensatze seines durchaus undämonischen Begleiters, ob er schon diesen Begleiter nicht loswerden und seine skeptische Bosheit und Verneinung zugleich benutzen und verachten müßte – wie es das tragische Los jedes Empörers und Befreiers ist. Man möchte sie nicht einmal fragen, wie Tannhäuser den Biterolf fragt: »was hast du Ärmster denn genossen?« Denn ach, wir wissen es ja selber besser und anders. Es ist so kleinstädtisch, sich zu Ansichten verpflichten, welche ein paar hundert Meilen weiter schon nicht mehr verpflichten. Das dritte fordert die tätigsten Menschen als seine Betrachter: nur diese werden es ohne Schaden ansehen; denn die Beschaulichen erschlafft es und die Menge schreckt es ab. Fast ist es ihm, als ob er die Symptome einer völligen Ausrottung und Entwurzelung der Kultur wahrnähme, wenn er an die allgemeine Hast und zunehmende Fallgeschwindigkeit, an das Aufhören aller Beschaulichkeit und Simplizität denkt. Man wird dies bei so starken und bestimmt sich aussprechen den Begabungen nicht recht nennen; und so wäre vielleicht gar jene Maxime der harmonischen Ausbildung nur bei den schwächeren Naturen anzuwenden, in denen zwar ein ganzes Nest von Bedürfnissen und Neigungen sitzt, welche aber, insgesamt und einzeln genommen, nicht viel bedeuten wollen? Goethe war es, der mit einem übermütig tiefsinnigen Worte es merken ließ, wie der Natur alle ihre Versuche nur so viel gelten, damit endlich der Künstler ihr Stammeln errät, ihr auf halbem Wege entgegenkommt und ausspricht, was sie mit ihren Versuchen eigentlich will. Schopenhauer als Erzieher 4. Das indische Altertum eröffnet seine Tore, und seine Kenner haben zu den unvergänglichen Werken der Inder, zu ihren Philosophien, kaum ein anderes Verhältnis als ein Tier zur Lyra: obschon Schopenhauer das Bekanntwerden der indischen Philosophie für einen der größten Vorteile hielt, welche unser Jahrhundert vor anderen voraushabe. Da sträubt er sich, spitzt die Ohren und beschließt »ich will mein bleiben!« Es ist ein schrecklicher Beschluß; erst allmählich begreift er dies. Ein Gelehrter kann nie ein Philosoph werden; denn selbst Kant vermochte es nicht, sondern blieb bis zum Ende, trotz dem angebornen Drange seines Genius, in einem gleichsam verpuppten Zustande. Und noch oft hervorbringen soll! Bei den allermeisten ist es Bequemlichkeit, Trägheit, kurz jener Hang zur Faulheit, von dem der Reisende sprach. Da wird drittens die Kultur von allen denen gefördert, welche sich eines häßlichen oder langweiligen Inhaltes bewußt sind und über ihn durch die sogenannte »schöne Form« täuschen wollen. Denn nur ein einziges wahrhaftiges Ja! Niemand, der wahre Freunde hat, weiß was wahre Einsamkeit ist, und ob er auch die ganze Welt um sich zu seinen Widersachern hätte. Lieber möchte er einmal gaukeln, Affe sein, lieber lernte er Manieren und Künste, wodurch das Leben unterhaltend wird. Und deshalb mag er sich mit den Bildern guter und tapferer Kämpfer umstellen, wie Schopenhauer selbst einer war. Sollen sie angelehrt werden, in den Jubel einzustimmen, wie wirs doch so herrlich weit gebracht? Sie will, um die Nutzanwendung auf den Schopenhauerschen Menschen zu machen, daß wir seine immer neue Erzeugung vorbereiten und fördern, indem wir das ihr Feindselige kennenlernen und aus dem Wege räumen – kurz, daß wir gegen alles unermüdlich ankämpfen, was uns um die höchste Erfüllung unsrer Existenz brachte, indem es uns hinderte, solche Schopenhauersche Menschen selber zu werden. In the English language, this work is known under three different titles. Leider hat Schopenhauer durch nichts zahlreiche Gelehrte mehr beleidigt als dadurch, daß er ihnen nicht ähnlich sieht. Der Staat, in den Händen dieser letzteren, macht wohl, ebenso wie der Egoismus der Erwerbenden, den Versuch,[313] alles aus sich heraus neu zu organisieren und Band und Druck für alle jene feindseligen Kräfte zu sein: das heißt er wünscht, daß die Menschen mit ihm denselben Götzendienst treiben möchten, den sie mit der Kirche getrieben haben. Er ist gehütet vor allen künstlichen und ausschweifenden Hypothesen; er gräbt, wenn er beharrlich ist, alle gemeinen Motive der Vergangenheit auf, weil er sich von gleicher Art fühlt. So eifrig also alle vier Mächte miteinander darüber nachdenken, wie sie sich mit Hilfe der Kultur nützen, so matt und gedankenlos sind sie, wenn dieses ihr Interesse nicht dabei erregt wird. Jene drei Gefahren der Konstitution, die Schopenhauer bedrohten, bedrohen uns alle. Was wäre außerdem zu erfinden, um seiner Einwirkung auf die Zeitgenossen mehr Wahrscheinlichkeit zu geben? Sie sind immer bereit, Andeutungen und Vermutungen günstig aufzunehmen, und die kleinste Wahrheit ist ihnen willkommen – aber ein großes Buch voll deduktiver Philosophie fordert den Argwohn heraus. Wenn er jetzt nun sein furchtloses Auge der Frage zuwandte: »was ist das Leben überhaupt wert?« – so hatte er nicht mehr eine verworrene und abgeblaßte Zeit und deren heuchlerisch unklares Leben zu verurteilen. Und überdies: wozu wäre es nötig, wenn doch alles Zeugnis von unserm Wesen[289] ablegt, unsre Freund- und Feindschaften, unser Blick und Händedruck, unser Gedächtnis und das, was wir vergessen, unsre Bücher und die Züge unsrer Feder. Hat es nämlich überhaupt einen Sinn, sich mit seiner Zeit zu beschäftigen, so ist es jedenfalls ein Glück, sich so gründlich wie möglich mit ihr zu beschäftigen, so daß einem über sie gar kein Zweifel übrig bleibt: und gerade dies gewährt uns Schopenhauer. Daß ein solcher Mensch geschrieben hat, dadurch ist wahrlich die Lust auf dieser Erde zu leben vermehrt worden. Stelle dir die Reihe dieser verehrten Gegenstände vor dir auf, und vielleicht ergeben sie dir, durch ihr Wesen und ihre Folge, ein Gesetz, das Grundgesetz deines eigentlichen Selbst. Was ihr dagegen in euch habt, ist ein weichliches breiiges Material; macht damit was ihr wollt, formt elegante Puppen und interessante Götzenbilder daraus – es wird auch hierin bei Richard Wagners Wort verbleiben: »der Deutsche ist eckig und ungelenk, wenn er sich manierlich geben will; aber er ist erhaben und allen überlegen, wenn er in das Feuer gerät.« Und vor diesem deutschen Feuer haben die Eleganten allen Grund, sich in acht zu nehmen, es möchte sie sonst eines Tages fressen, samt allen ihren Puppen und Götzenbildern aus Wachs. Daß Ehrlichkeit etwas ist und sogar eine Tugend, gehört freilich im Zeitalter der öffentlichen Meinungen zu den privaten Meinungen, welche verboten sind; und deshalb werde ich Schopenhauer nicht gelobt, sondern nur charakterisiert haben, wenn ich wiederhole: er ist ehrlich, auch als Schriftsteller; und so wenige Schriftsteller sind es, daß man eigentlich gegen alle Menschen welche schreiben, mißtrauisch sein sollte. Dem Menschen wird nur so viel Kultur gestattet als im Interesse des allgemeinen Erwerbs und des Weltverkehrs ist, aber so viel wird auch von ihm gefordert. Schopenhauer as Educator, published in 1876, is a short, very lively, accessible, thought-provoking philosophical work by Friedrich Nietzsche. Selbst die vielbewunderte Art, mit der die deutschen Gelehrten auf ihre Wissenschaft losgehen, zeigt vor allem, daß sie dabei mehr an die Wissenschaft als an die Menschlichkeit denken, daß sie wie eine verlorne Schar sich ihr zu opfern angelehrt werden, um wieder neue[292] Geschlechter zu dieser Opferung heranzuziehen. Wo es mächtige Gesellschaften, Regierungen, Religionen, öffentliche Meinungen gegeben hat, kurz, wo je eine Tyrannei war, da hat sie den einsamen Philosophen gehaßt; denn die Philosophie eröffnet dem Menschen ein Asyl, wohin keine Tyrannei dringen kann, die Höhle des Innerlichen, das Labyrinth der Brust: und das ärgert die Tyrannen. Sondern Schopenhauer redet mit sich: oder, wenn man sich durchaus einen Zuhörer denken will, so denke man sich den Sohn, welchen der Vater unterweist. jetzt riechen sie freilich sehr interessant, nach dem ganzen Orient und Okzident. Die Natur schießt den Philosophen wie einen Pfeil in die Menschen hinein, sie zielt nicht, aber sie hofft, daß der Pfeil irgendwo hängen bleiben wird. Aber die Welt kümmert sich nicht um diese Abstraktionen, und das ist kein Wunder, da diese sich untereinander widersprechen.« Wenn ehedem der Philosoph, besonders in Deutschland, in so tiefes Nachdenken versunken war, daß er in fortwährender Gefahr schwebte, mit dem Kopf an jeden Balken zu rennen, so ist ihnen jetzt, wie es Swift von den Laputiern erzählt, eine ganze Schar von Klapperern beigegeben, um ihnen bei Gelegenheit einen sanften Schlag auf die Augen oder sonstwohin zu geben. Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl, 2. – was Goethe so verdeutscht hat: »das ist auch einer, der sich's hat sauer werden lassen!« »Wenn sich nun in unsern Gesichtszügen«, fügt er hinzu, »die Spur überstandenen Leidens, durchgeführter Tätigkeit nicht auslöschen läßt, so ist es kein Wunder, wenn alles, was von uns und unserem Bestreben übrig bleibt, dieselbe Spur trägt.« Und das ist Goethe, auf den unsre Bildungsphilister als auf den glücklichsten Deutschen hinzeigen, um daraus den Satz zu beweisen, daß es doch möglich sein müsse, unter ihnen glücklich zu werden – mit dem Hintergedanken, daß es keinem zu verzeihen sei, wenn er sich unter ihnen unglücklich und einsam fühle. Genauer zugesehen ist jene »Freiheit«, mit welcher der Staat jetzt, wie ich sagte, einige Menschen zugunsten der Philosophie beglückt, schon gar keine Freiheit, sondern ein Amt, das seinen Mann nährt. Jener Krieg war für viele die erste Reise in die elegantere Hälfte der Welt; wie herrlich nimmt sich nun die Unbefangenheit des Siegers aus, wenn er es nicht verschmäht, bei dem Besiegten etwas Kultur zu lernen! Was fehlt uns noch alles zu dieser mutigen Sichtbarkeit eines philosophischen Lebens in[298] Deutschland! Dergestalt vermag der Philosoph auch der Universität zu nützen, wenn er sich nicht mit ihr verquickt, sondern sie vielmehr aus einer gewissen würdevollen Weite übersieht. 99 der Fröhlichen Wissenschaft, in welchem Nietzsche seine veränderte Sicht auf Schopenhauer … Wie, wenn er nun gar eines Tages fühlte: heute kann ich nichts denken, es fällt mir nichts Gescheites ein – und trotzdem müßte er sich hinstellen und zu denken scheinen! Er wirft höhnisch all den bunten Schmuck von sich, welcher ihm kurz vorher gerade sein Menschlichstes schien, seine Künste und Wissenschaften, die Vorzüge seines verfeinerten Lebens, er schlägt mit der Faust wider die Mauern, in deren Dämmerung er so entartet ist, und schreit nach Licht, Sonne, Wald und Fels. Er zerlegt ein Bild in lauter Flecke, wie einer, der das Opernglas anwendet, um die Bühne zu sehen, und jetzt bald einen Kopf, bald ein Stück Kleid, aber nichts Ganzes ins Auge faßt. Mindestens solange er begünstigt und angestellt ist, muß er über der Wahrheit noch etwas Höheres anerkennen, den Staat. Beizeiten wurde er gegen die nationalen Beschränktheiten abgestumpft oder allzu geschärft; er lebte in England, Frankreich und Italien nicht anders als in seiner Heimat und fühlte mit dem spanischen Geiste keine geringe Sympathie. 1996. Der Mensch Goethes ist keine so bedrohliche Macht, ja in einem gewissen Verstande sogar das Korrektiv und Quietiv gerade jener gefährlichen Aufregungen, denen der Mensch Rousseaus preisgegeben ist. Was die Erwerbenden wollen, wenn sie unablässig nach Unterricht und Bildung verlangen, ist zuletzt eben Erwerb. Am wenigsten haben die eigentlichen literarischen Gegner und Widerbeller die Ehre, diese bisher verhindert zu haben, erstens weil es wenige Menschen gibt, welche es aushalten sie zu lesen, und zweitens weil sie den, welcher dies aushält, unmittelbar zu Schopenhauer hinführen; denn wer läßt sich wohl von einem Eseltreiber abhalten, ein schönes Pferd zu besteigen, wenn jener auch noch so sehr seinen Esel auf Unkosten des Pferdes herausstreicht? Sein Gesichtsfeld ist gewöhnlich sehr klein, und die Augen müssen dicht an den Gegenstand herangehalten werden. Der Staat braucht die Sanktion durch die Philosophie nicht mehr, dadurch ist sie für ihn überflüssig geworden. Jahrhunderts entwickelte er eine eigen… For additional information, see the Global Shipping Program, This amount includes applicable customs duties, taxes, brokerage and other fees. Es ist freilich ein Streben, welches tief und herzlich zur Resignation hinleitet: denn was und wie viel kann überhaupt noch verbessert werden, am einzelnen und am allgemeinen! Weitere Anregungen bezog er aus der Ideenlehre Platons und aus Vorstellungen östlicher Philosophien. Beinahe sieht es nun so aus, als ob Plato wirklich etwas erreicht habe. Hier ist die Wurzel aller wahren Kultur; und wenn ich unter dieser die Sehnsucht des Menschen verstehe, als Heiliger und als Genius wiedergeboren zu werden, so weiß ich, daß man nicht erst Buddhaist sein muß, um diesen Mythus zu verstehen. Jener Reisende, der viel Länder und Völker und mehrere Erdteile gesehen hatte und gefragt wurde, welche Eigenschaften der Menschen er überall wiedergefunden habe, sagte: sie haben einen Hang zur Faulheit. Jeder, der sich zu ihr bekennt, spricht damit aus: »ich sehe etwas Höheres und Menschlicheres über mir, als ich selber bin; helft mir alle, es zu erreichen, wie ich jedem helfen will, der Gleiches erkennt und am gleichen leidet: damit endlich wieder der Mensch entstehe, welcher sich voll und unendlich fühlt im Erkennen und Lieben, im Schauen und Können, und mit aller seiner Ganzheit an und in der Natur hängt, als Richter und Wertmesser der Dinge.« Es ist schwer, jemanden in diesen Zustand einer unverzagten Selbsterkenntnis zu[328] versetzen, weil es unmöglich ist, Liebe zu lehren; denn in der Liebe allein gewinnt die Seele nicht nur den klaren, zerteilenden und verachtenden Blick für sich selbst, sondern auch jene Begierde, über sich hinauszuschauen und nach einem irgendwo noch verborgenen höheren Selbst mit allen Kräften zu suchen.